Siedlungsdynamische Prozesse der Eisenzeit in Südwestfalen - Eine Untersuchung zu den Aneignungsprozessen in Siedlungslandschaften des rechtsrheinischen Mittelgebirges
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Die Motivation, dieses Thema zu bearbeiten, speist sich zum einen daraus, dass ich im südlichen Siegerland aufgewachsen bin und schon im Rahmen des DFG-Projekts „Latènezeitliche Eisenwirtschaft im Siegerland: Interdisziplinäre Forschungen zur Wirtschaftsarchäologie“ erste Grabungserfahrungen sammelte. Zum anderen zeigte sich während meiner Masterarbeit, dass Südwestfalen meist auf Montanreviere, Wallburgen sowie naturräumliche unattraktive und periphere Lagen reduziert wird. Die Überwindung dieser einseitigen Forschungsperspektiven ist also lange überfällig.
Ziel meines laufenden Dissertationsvorhabens ist es, die eisenzeitlichen siedlungsdynamischen Prozesse Südwestfalens vor dem Hintergrund einer kulturellen Aneignung von Räumen und Dingen (kARD) zu untersuchen. Die Ausarbeitung eines solchen archäologischen Modells soll Aussagen zu den relationalen Beziehungen von Mensch und Umwelt ermöglichen und am Beispiel der rechtsrheinischen Mittelgebirgsregionen Siegerland und Wittgensteiner Land überprüft werden. Durch die Betrachtung von kARD sind ressourcenbezogene Untersuchungen abseits ökodeterministischer Perspektiven möglich; kARD lenkt den Fokus stattdessen auf gesellschaftliche Prozesse und Besiedlungsdynamiken. Die Aneignungsperspektive schlägt zusätzlich die Brücke zu aktuellen archäologischen Theoriedebatten um Praktiken, Spacing und Ressourcen sowie erstmals zu sozialpädagogischen Sozialraumanalysen, die es ermöglichen, architektur- und raumsoziologische Ansätze nicht nur für urbane, sondern auch für ländliche Strukturen zu nutzen.
Das Dissertationsvorhaben folgt der Arbeitshypothese, dass sich die habitus-spezifischen Praktiken eines Kollektivs in der Art und Weise der Aneignung von (Um-)Welt im Umgang mit Dingen, natürlichen Begebenheiten und Wissensbeständen manifestieren, bei der immer Sozialräume als „relationale (An-)Ordnungen von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten“ (Löw 2018) entstehen. Dinge geben aufgrund ihrer jeweiligen aneignungsfördernden oder -behindernden Wirkungsmächte Aufschluss über das habituelle Raumwissen der Menschen.
Auf der Grundlage von kARD wird es mit landschaftsarchäologischen GIS-gestützten Untersuchungen möglich, Sozialräume teilweise als Praxisräume in Landschaften sichtbar zu machen und damit Erkenntnisse über Siedlungsdynamiken und Sozialstrukturen zu erzielen.
Das Erkenntnisinteresse richtet sich auf die kARD der eisenzeitlichen Menschen in Südwestfalen, dessen theoretisches Gerüst und die praktische Anwendung:
- Welche grundlegenden Theorien und Termini können für sozialräumliche Fragestellungen und kulturelle Aneignungsprozesse herangezogen werden?
- Wie stellt sich kulturelle Aneignung von Räumen und Dingen (kARD) dar, und welche Aspekte sind für archäologische Untersuchungen von Sozialräumen nutzbar?
- Wie sieht die methodische Herangehensweise einer landschaftsarchäologischen Sozialraumanalyse in einer Mittelgebirgsregion aus?
- Gibt es Unterschiede und Gemeinsamkeiten der kARD in Südwestfalen?
- Welche Schlüsse lassen sich daraus für die eisenzeitliche Siedlungsdynamik im Untersuchungsgebiet ziehen?
- Welchen Mehrwert birgt das kARD-Modell für das Verständnis der Eisenzeit in der deutschen Mittelgebirgsschwelle?
kARD soll durch den Fokus auf Aneignungsstrategien und Praxisräume vielfältigere Interpretationen eisenzeitlicher Siedlungsprozesse in der deutschen Mittelgebirgsschwelle ermöglichen. Das Projekt wird seit Januar 2022 durch die Gerda Henkel Stiftung gefördert. Bislang gibt es zu diesem Thema noch keine Publikationen.